Beim Mix & Mingle hat Greg Koch keine Schuhe an. Auch seine schulterlangen Haare und den Rauschebart hat er seit der Eröffnung der Berliner Dependance von Stone Brewing im vergangenen Herbst abgelegt. Die Schuhe wird er erst später wieder überstreifen, wenn alle zusammen einen Raum weiter in die „Library Bar“ zum Essen ziehen. Erst einmal werden Stühle gerückt und der Kreis ein wenig erweitert. Wir sind zu Gast bei Stone Brewing Berlin und gerade rechtzeitig zum ersten Programmpunkt des Abends: Den zwei Begrüßungsbieren.
Alle paar Wochen veranstaltet Stone Berlin das sogenannte „Brewers‘ Dinner“. Einen Abend mit illustren Gästen und einem extra für den Anlass kreierten Vier-Gänge-Menü. Als Begleitung zu jedem Gang werden nicht ein, sondern gleich zwei Biere gereicht. Typisch Stone halt. Zum heutigen Brewers Dinner sind etwa 25 Personen gekommen. Nachbarn, alte und neue Freunde, Berlin-Besucher und Stone-Fans.
Neben Greg Koch begrüßt heute Abend Drew Curtis die Gäste. Der Mittvierziger aus Lexington, Kentucky hat in den Neunzigern mit Fark.com so etwas wie den ersten Social-News-Aggregator erschaffen, ein paar verrückte Geek-Bücher geschrieben, bei einer TV-Show mitgemischt und sich 2015 (erfolglos) als Gouverneurs-Kandidat in seinem Bundesstaat versucht. Ein Jahr später entstand in einer Braukollaboration von Drew, Greg und einem ehemaligen Star-Trek-Schauspieler das w00tstout. Das dunkle Bier wurde mit Roggen, Weizenmalz und Pecannüssen gebraut und in ausgedienten Bourbonfässern gelagert. Diese tiefschwarze Superhelden-Version eines Imperial Stouts wird in Laufe des abends auch noch in unseren Gläsern landen. Überhaupt ist die heutige Bierliste beachtlich und hat im Vorfeld schon zu einigen Ohs und Ahs geführt.
Verteilt auf mehrere große Tische haben mittlerweile alle Gäste in der „Library Bar“ Platz genommen. Diese ist so etwas wie die moderne Version des adeligen Herrenzimmers. Der Bereich ist durch eine Glaswand vom Haupt-Restaurant abgetrennt, mit eigener Bar, viel Holz, Leder und einem freundlich flackernden Kaminfeuer.
Nachdem die nächsten zwei Biere serviert sind, schickt die Küche auch schon den ersten Teller: Gebackene Artischocken, Jalapeño-Ciabatta und dazu ein Dip, von dem ich gerne noch ein Schälchen in der Handtasche mit nach Hause genommen hätte. Dazu die Stone Berliner Weisse 2.0 und das Stone Jindia Pale Ale. Das passt schon mal! Auf den Geschmack gekommen sind auch Debbie und Dave, die mit uns am Tisch sitzen. Das Paar aus Birmingham ist in Berlin um die hiersige Craft-Beer-Szene und einige Restaurants zu erkunden. Dave ist Mitautor des Midlands Beer Blog, das Interview mit Greg Koch hat er schon in der Tasche und verschwindet bloß noch einmal kurz für ein Selfie mit dem Stone-Chef in der Haupthalle.
Auch die Spargelsuppe mit pochiertem Ei und Pulled Pork sorgt mit den begleitenden Bieren für Begeisterung am Tisch. Debbie und Dave sind froh die Spargel-Saison in Deutschland mitzubekommen. Sie bedauern ein wenig, dass weißer Spargel auf der Insel ein echter Exot ist und dies dank Brexit – für den sich beide sehr entschuldigen – wohl auch bleiben wird. Zur Suppe gibt es zwei von Stone im kalifornischen Hauptsitz Escondido gebraute Biere. Das Stone Ripper Pale Ale, ein West Coast Pale Ale mit klaren Zitrusaromen und das Stone Tangerine Express IPA, gebraut mit ganzen Mandarinen. Letzteres besonders beliebt in der Damenwelt, wie mir später jemand zuflüstert.
Zwischen den einzelnen Gängen und Bieren gibt es jeweils eine kurze Rede und Erläuterung zu dem, was als nächstes folgt. Das ist in diesem Fall die Küchen-Crew, angeführt von Chef-Koch Robert Hilges, die von uns Gästen eine große Portion Applaus bekommt. Und dann kommt auch schon der nächste Gang, begleitet von den nächsten zwei Bieren.
Jetzt wird es rustikal! Auf großen Brettern werden Pork Chops hereingetragen, auf dem Fleisch in dicken Linien eine rote würzige Sauce. Dazu ein für sich hervorragendes, aber ziemlich verrücktes Kartoffelgratin. Tomatig, würzig-scharf und ganz schön mächtig. Kurz zuvor hatte uns Greg Koch bereits von seinem Gartenarbeits- und Chili-Faible berichtet (das meiste in großen Kübeln wachsende Grünzeug auf den Stone-Gelände in Berlin hat er selbst angepflanzt). Die scharfen Schoten finden sich auch im Arrogant Brewing – 2015 Punishment (Double Bastard Ale w/Peppers aged in Bourbon Barrels), welches zusammen mit dem erwähnte w00tstout den Hauptgang begleitet. Nach dieser „Stoneschen Geschmacksknospen-Überwältigung“ müssen wir erst einmal durchatmen.
Unsere Rettung ist Chefkoch Hilges, der offensichtlich auch ein großes Herz für süße Sachen hat. Denn die Nachtische bei Stone mag ich persönlich besonders gern. Serviert wird ein kleiner Apfelstrudel nebst bombastischer Whisky-Creme, Vanilleeis und einem Gläschen Pana cotta. Das Bourbon Barrel-Aged Arrogant Bastard Ale und der Stone Coffee Milk Stout passen perfekt und lassen uns glücklich mit geröteten Wangen in den Stühlen zurücksinken.
Beim späten Aufbruch verlieren wir den Anschluss an unsere Tischnachbarn und lassen uns an der Bar von einem Pataskala Red IPA noch ein wenig Gesellschaft leisten. Ein letzes Bier, ein letzter Schluck. Der Aufruf zur letzten Runde hilft uns an die frische Luft. „Neee lass mal, vielen Dank. Jetzt müssen wir (leider) wirklich heim!“ Zum Glück fährt kurz drauf der Bus zum U-Bahnhof Alt-Mariendorf. Von dort schaukelt uns die U6 gemütlich fast bis nach Hause.
Smámunir empfiehlt: Am kommenden Sonntag, den 11. Juni findet bei Stone Berlin der Spontaneous Sour Sunday statt. Zwischen 10.00 uns 22.00 Uhr hat die Library Bar 25 Sauer-Biere wie Lambics, Gueuze-Biere oder Berliner Weiße am Hahn.